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Physik-Praktikum für Studierende der Humanmedizin



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Level 3A: Einfluss verschiedener Parameter auf das Röntgenspektrum

Bei Röntgenstrahlung handelt es sich um hochenergetische elektromagnetische Strahlung, die entsteht, wenn geladene Teilchen abgebremst (oder beschleunigt) werden oder angeregte Atome Energie über elektromagnetische Wellen abstrahlen. Die einzelnen Photonen (Lichtquanten) können dabei unterschiedliche Energien besitzen, was in einem sogenannten Spektrum dargestellt wird.
Auf der x-Achse wird die Energie \(E\) eines Photons aufgetragen, manchmal auch die Frequenz \(f\) oder die Wellenlänge \(\lambda\). Die drei Größen Energie, Frequenz und Wellenlänge können folgendermaßen ineinander umgerechnet werden: \[E=h\cdot f \] \[E=h\cdot \frac{c}{\lambda} \] \[c=f\cdot\lambda\] Dabei ist \(h\) das plancksche Wirkungsquantum und \(c\) die Lichtgeschwindigkeit. Auf der y-Achse wird die spektrale Intensität aufgetragen: Diese lässt erkennen, wie häufig Photonen mit der jeweiligen Energie auftreten. Das Röntgenspektrum ist dabei typisch für die Röntgenröhre und setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: dem Bremsstrahlungsspektrum und der charakteristischen Röntgenstrahlung.

Das Bremsstrahlungsspektrum

Bremsspektrum
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Das Bremsstrahlungsspektrum entsteht, wenn Elektronen in der oberen Anodenschicht durch die Ablenkung im Feld der Atomkerne abgebremst werden. Dabei können sie unterschiedlich viel kinetische Energie abgeben, jedoch nicht mehr als sie durch die vorhergehende Beschleunigung besitzen. Diese "abgegebene" Energie wird beim Abbremsvorgang in Strahlungsenergie umgewandelt. Es entstehen also Photonen mit einer bestimmten Energie.
Im extremen Fall kann ein Elektron seine gesamte kinetische Energie (\(E_\text{kin}=e\cdot U_\text{B}\)) in nur einem einzigen Ablenkvorgang in Form eines einzelnen Photons abgeben. Diese maximale Energie kann über die Formel \(E_\text{max}=e\cdot U_\text{B}\) berechnet werden. Über die Formel \(E_\mathrm{max}=h\cdot f_\text{max}=h\cdot \frac{c}{\lambda_\mathrm{min}}\) können die zugehörige maximale Frequenz \(f_\mathrm{max}\) sowie die minimale Wellenlänge \(\lambda_\mathrm{min}\) bestimmt werden.
Wird ein Elektron jedoch nicht in einem Abbremsvorgang komplett abgebremst, so wird ein Photon mit geringerer Energie als \(E_\mathrm{max}\) emittiert und das Elektron hat danach immer noch kinetische Energie. Diese kann in einem einzelnen oder mehreren Abbremsvorgängen in weitere Photonen umgewandelt werden. Es ist unwahrscheinlich, dass das Elektron seine Energie in einem einzelnen Bremsvorgang verliert. Deswegen entstehen mehr Photonen mit Energien kleiner als \(E_\mathrm{max}\). Photonen mit niedrigen Energien können das Anodenmaterial schlechter verlassen, sodass die (außerhalb der Anode gemessene) Intensität für kleine Energien abnimmt, auch wenn im Inneren der Anode mehr solcher niederenergetischer Photonen entstehen. Insgesamt ergibt sich ein breites kontinuierliches Spektrum mit einem Maximum an Intensität bei Energien unterhalb von \(E_\mathrm{max}\) – das Bremsstrahlungsspektrum.
Da Photonen mit geringer Energie die Anode nicht verlassen können und auch ein Großteil der Strahlung aus geometrischen Gründen sich nicht aus der Anode heraus bewegt, wird sehr viel Energie vom Festkörper aufgenommen. Mit anderen Worten, die Anode heizt sich stark auf. Tatsächlich werden ca. \(99~\%\) der Energie, die für den Betrieb der Röntgenröhre aufgewendet wird, in Wärme umgewandelt. Dies hat zur Folge, dass die Anode fortlaufend gekühlt werden muss.
An dieser Stelle noch vier Kennzahlen: Im physikalischen Praktikum wird mit einem Heizstrom von bis zu \(1~\mathrm{mA}\) und einer Beschleunigungsspannung von maximal \(35~\mathrm{kV}\) gearbeitet. In der medizinischen Praxis hingegen finden Heizströme von bis zu \(20~\mathrm{mA}\) und Beschleunigungsspannungen von bis zu \(100~\mathrm{kV}\) Anwendung.

Das charakteristische Spektrum

charakteristisches Spektrum
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Bremsstrahlungsspektrum

Entstehung der charakteristischen Strahlung


Neben den Abbremsvorgängen im Feld der Atomkerne können eintreffende Elektronen auch mit Elektronen in den Schalen der Atome der Anode wechselwirken. Dabei wird durch das eintreffende Elektron ein Schalenelektronen "herausgeschlagen" und es entsteht ein unbesetztes Energieniveau in der betroffenen Schale.
Durch die Besetzung mit einem Elektron aus einer höheren Schale wird ein einzelndes Photon emittiert. Dabei "fällt" das Elektron von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau. Die Energiedifferenz ist charakteristisch für das Material, da je nach Material auch nur bestimmte Energieniveaus verfügbar sind. Die entstehende Strahlung entspricht genau den freiwerdenden Energien. Da die Werte nur vom Anodenmaterial abhängen, spricht man hier von charakteristischer Strahlung.
Den einzelnen Übergängen von einer Schale mit höherer Energie zu einer Schale mit niedrigerer Energie hat man bestimmte Namen gegeben: Der K\(_\alpha\)-Übergang bezeichnet den Sprung eines Elektrons auf die innerste Schale (K) aus der nächsthöheren Schale (\(\alpha\)). K\(_\beta\) ist dementsprechend der Übergang zur innersten Schale (K) von der dritten Schale aus (zwei Schalen weiter außen, daher \(\beta\)). Die Linien im Spektrum bezeichnet man dementsprechend als K\(_\alpha\)- bzw. K\(_\beta\)-Linie. Wird das Elektron aus der zweiten Schale (L) geschlagen, spricht man von L\(_\alpha\) (wenn das Loch aus der dritten Schale aufgefüllt wird) und L\(_\beta\) (wenn das Loch aus der vierten Schale aufgefüllt wird).

Das Röntgenspektrum setzt sich somit zusammen aus dem kontinuierlichen Bremsstrahlungsspektrum und dem Linienspektrum der charakteristischen Röntgenstrahlung. Der größere Anteil der Strahlungsenergie wird dabei über die Bremsstrahlung transportiert, was sich im Spektrum mit folgender Überlegung erkennen lässt: Die Energie, die übertragen wird, ist proportional zur Fläche unter der spektralen Verteilungskurve. Ein schmaler, spitzer Peak signalisiert so zwar eine hohe Intensität für Strahlung einer bestimmten Frequenz oder Wellenlänge, gleichzeitig ist diese Strahlung aber auch sehr schmalbandig, die enthaltene Energie ist also vergleichsweise gering. Die Fläche, die unter der Kurve des Bremsstrahlungsspektrums liegt, ist deutlich größer, was auch für den Anteil der übertragenen Energie gilt.
Aufgrund ihrer sehr genau definierten Frequenz ist die charakteristische Strahlung jedoch für manche Messverfahren sehr interessant. Mehr dazu findet sich im Level zu weiteren Anwendungen von Röntgenstrahlung.

Variation von Heizstrom und Beschleunigungsspannung

Röhre mit verschiedenen Heizströmen und Beschleunigungsspannungen
Heizstrom

Beschleunigungs­spannung


Über die Variation des Heizstroms und der Beschleunigungs­spannung können die Vorgänge in der Röntgenröhre beeinflusst werden. Wie in der Simulation zu sehen ist, sind beide Parameter für verschiedene Veränderungen verantwortlich:

  1. Der Heizstrom sorgt dafür, dass sich die Glühkatode erhitzt. Ein größerer Strom sorgt dabei für eine höhere Temperatur. Diese Erhöhung sorgt ihrerseits dafür, dass mehr Elektronen pro Zeitintervall aus der Glühkatode austreten können. Es werden dann also auch mehr freie Elektronen von der Glühkatode zur Anode beschleunigt und treffen dort auf. (Die Größe des Heizstroms ist allerdings begrenzt, denn die Glühwendel darf nicht bis zum Schmelzen erhitzt werden.)
  2. Diese Beschleunigung der freien Elektronen wird von der Beschleunigungsspannung beeinflusst. Je größer diese ist, desto schneller sind die Elektronen beim Aufprall. Es wird also mehr Energie auf die Elektronen übertragen, sodass auch \(E_\text{max}=e\cdot U_\mathrm{B}\) zunimmt.

Die Veränderung der Anzahl freier Elektronen und die Variation der Beschleunigungsspannung führen auch zu einer Änderung des Röntgenspektrums:

Spektrum für verschiedene Heizströme und Beschleunigungsspannungen



Die Beschleunigungsspannung beträgt 20 \(\text{kV}\).
Der Heizstrom beträgt 0 \(\text{mA}\).
Die y-Achse zeigt einen Intensitätsbereich von 0 bis xyz Counts pro Sekunde.
Anmerkung zur Messung: Die korrekte Einheit der Intensität lautet Counts pro Sekunde pro Pikometer. In vielen Quellen findet sich allerdings die Einheit Counts pro Sekunde, weshalb diese auch hier verwendet wird.

Bei einer Vergößerung des Heizstroms treten mehr Elektronen aus der Glühkatode aus. Dementsprechend treffen auch mehr Elektronen auf der Anode auf, sodass mehr Prozesse zur Umwandlung der kinetischen Energie in Strahlungsenergie ablaufen. Die relative Häufigkeitsverteilung der einzelnen Prozesse bleibt dabei unverändert, sodass sich insgesamt nur die Intensität der Strahlung erhöht. Für das Experiment bedeutet dies, dass mehr Strahlung auf eine Probe oder einen Schirm trifft und die Helligkeit zunimmt.

Wird jedoch die Beschleunigungsspannung erhöht und damit die kinetische Energie vergrößert, so ändert sich das Röntgenspektrum wie folgt: Die Grenzwellenlänge, welche von \(E_\text{max}\) abhängt, wird zu kleineren Werten hin verschoben. Das kontinuierliche Spektrum wird also breiter und verändert auch seine Form. Die Peaks der charakteristischen Strahlung bleiben hingegen an der gleichen Position (Wellenlänge) auf der x-Achse, nur ihre Intensität kann sich verändern.
Im Kapitel Vorgänge im Probeninneren wird betrachtet, welche Auswirkung die Veränderung der Strahlung hin zu höheren Energien hat.